Nordrhein-Westfalen verfügt deshalb wie alle Länder der Bundesrepublik Deutschland über eine eigene Verfassungsschutzbehörde. Das Ministerium des Innern ist Verfassungsschutzbehörde. Die für den Verfassungsschutz zuständige Abteilung nimmt ihre Aufgaben gesondert von der Polizeiorganisation wahr.
Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, bereits im Vorfeld von konkreten Gefährdungslagen Informationen zu extremistischen Bestrebungen oder Organisationen zu beschaffen, zu sammeln und auszuwerten. Dazu gehören Aktivitäten, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder darauf abzielen, die Amtsführung von Verfassungsorganen des Bundes oder eines Landes ungesetzlich zu beeinflussen. Des Weiteren betrifft dies Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind oder die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht darstellen.
Dabei verfolgt der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz mit den zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln eine Dreifachstrategie aus Repression, Prävention und Ausstiegshilfe. Im Gegensatz zur Polizei hat der Verfassungsschutz keine Exekutivbefugnisse. Es ist seine Aufgabe, frühzeitig problematische Entwicklungen zu erkennen und Politik und Gesellschaft zu informieren und zu sensibilisieren. Da eine effektive Bekämpfung von Extremismus neben den konkreten Aufgaben von Sicherheitsbehörden auf gesamtgesellschaftlichen Anstrengungen basiert, geht der Verfassungsschutz in die Gesellschaft hinein, klärt auf und bietet alle beteiligten Akteuren eine Zusammenarbeit an.
Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit sowie Präventions- und Aussteigerprogramme des Verfassungsschutzes verhindern den Einstieg in die jeweilige extremistische Szene beziehungsweise ermöglichen die Loslösung darin eingebundener Personen.
Für die Bestimmung der Aufgaben des Verfassungsschutzes werden die Begriffe "extremistisch" und "verfassungsfeindlich" in der Regel synonym benutzt. Die Verfassungsschutzbehörden sprechen vom "politischen Extremismus" als Sammelbegriff für diejenigen politischen Gesinnungen und Bestrebungen, die unseren demokratischen Verfassungsstaat bzw. seine fundamentalen Werte und Regeln ablehnen. Es geht also um politische Bestrebungen, die sich gegen die wesentlichen Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (FdGO) richten, wie sie das BVerfG in zwei Entscheidungen aus den Jahren 1952 und 1956 konkretisiert hat.
Die wesentlichen Prinzipien der FdGO sind
- die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte
- die Volkssouveränität
- die Gewaltenteilung
- die Verantwortlichkeit der Regierung
- die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
- die Unabhängigkeit der Gerichte
- das Mehrparteienprinzip
- Chancengleichheit für alle politischen Parteien
- das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition.
Es handelt sich also um die elementaren Ordnungsprinzipien jeder Demokratie. Die Rechte zeigen zugleich den unlösbaren Zusammenhang von demokratischer Willensbildung und rechtlich geschützter individueller Freiheit auf.
Die Frage, wann die Schwelle zum Extremismus bzw. zur Verfassungsfeindlichkeit überschritten ist, entzieht sich einer pauschalen Antwort. Nach dem Verfassungsschutzgesetz NRW muss es sich bei den Bestrebungen um ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen handeln, durch die ein Verfassungsgrundsatz beseitigt oder außer Geltung gesetzt werden soll. Bei einer Bewertung im Einzelfall sind deshalb auch stets die weitergehenden Ziele und der Gesamtkontext, in dem die Äußerung oder Aktion erfolgen, zu berücksichtigen.
Der Begriff "radikal" ist nicht rechtlich definiert. Umgangssprachlich wird er gelegentlich für die Abgrenzung zum demokratischen Spektrum benutzt. Extremisten werden vielfach als "Linksradikale" oder "Rechtsradikale" bezeichnet. Auch der Verfassungsschutz hat in älteren Veröffentlichungen "radikal" und "extremistisch" gleichgewichtig benutzt. Davon sehen wir heute ab, um den wichtigen Unterschied zwischen verfassungsfeindlichen "Extremisten" und verfassungskritischen "Radikalen" zu verdeutlichen. Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes sind nur extremistische Bestrebungen - nicht radikale Auffassungen (§ 3 VSG NRW).
In dem Wort "radikal" klingt zum Teil eine negative Wertung an. Viele Bürgerinnen und Bürger in Deutschland wünschen sich aber zum Beispiel eine radikale Vereinfachung des komplizierten Steuerrechts. Radikal meint zunächst nur, eine bisweilen einseitige und "bis an die Wurzel gehende" - so die Übersetzung von "radikal" - Lösung bestimmter Probleme anzusteuern.
Solange eine radikale Gruppierung nicht oder noch nicht auf die Beseitigung wesentlicher Merkmale der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hinarbeitet, hat der Verfassungsschutz keinen Beobachtungsauftrag. Radikale politische Handlungen können im Einzelfall die Vorstufe zu extremistischen Aktivitäten sein, müssen es aber keineswegs.
Eine informierte, aufgeklärte Öffentlichkeit ist Grundvoraussetzung, um die Gesellschaft vor extremistischen Bestrebungen zu schützen. Daher versteht der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen den Leitspruch „Verfassungsschutz durch Aufklärung“ als einen wesentlichen Arbeitsauftrag.
Damit die Bevölkerung, Politik und Medien Anzeichen für Extremismus frühzeitig erkennen können, leistet der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz eine intensive Aufklärungsarbeit und bietet eine breite Palette verschiedener Informationsmittel an. Dazu gehören Vorträge und Tagungen, Broschüren und ein Informationsangebot im Internet.
Einen umfassenden Aufklärungsbeitrag, der alle verfassungsschutzrelevanten Themen umfasst, liefert der jährliche Verfassungsschutzbericht. Die Jahresberichte dienen Gerichten und Behörden als Nachschlagewerk zum Extremismus in NRW. Sie werden den Mitgliedern des Landtags zur Unterrichtung über Entwicklungen vorgelegt und auch von der Öffentlichkeit stark nachgefragt.
Die Aufgaben und Befugnisse der Verfassungsschutzbehörde sind im Verfassungsschutzgesetz (VSG NRW) definiert. Zugleich ist dort geregelt, durch wen und wie ihr Handeln kontrolliert wird, denn eine rechtliche und politische Kontrolle von Verwaltung sind konstitutive Merkmale des Rechtsstaates. Dies gilt natürlich auch für den Verfassungsschutz.
Da die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes aufgrund ihrer besonderen Geheimhaltungsbedürftigkeit in der Regel nicht öffentlich im Parlament oder seinen Ausschüssen beraten werden können, existieren für die Kontrolle besondere Stellen. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG). Der Landtag Nordrhein-Westfalen bestimmt zu Beginn jeder Wahlperiode die Anzahl der Mitglieder des PKG und wählt diese aus seiner Mitte. Das PKG überwacht umfassend die Tätigkeit des Verfassungsschutzes.
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