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Landeswahlleiter rechnet mit Zunahme bei Briefwahl

Wolfgang Schellen Landeswahlleiter

Zehn Fragen an den Landeswahlleiter Wolfgang Schellen Wie die Corona Pandemie die Kommunalwahlen beeinflusst

Im Zusammenhang mit Corona lassen sich drei Phasen unterscheiden: die Wahlvorbereitung, der Wahlkampf und die Durchführung der Wahl insbesondere am Wahltag, dem 13. September 2020. Auf die Wahlvorbereitung von Parteien, Wählergruppen und Bewerbern in den Kreisen und Gemeinden hat sich die Pandemie spürbar ausgewirkt. Versammlungen zur Aufstellung von Kandidatinnen und Kandidaten konnten im März und April kaum durchgeführt werden. Auch das Sammeln von Unterstützungsunterschriften durch kleine und neue politische Gruppierungen war erschwert. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert und elf Tage mehr Zeit für die Wahlvorbereitung eingeräumt, die Zahl der erforderlichen Unterstützungsunterschriften wurde auf 60 % der üblichen Anzahl reduziert.

Falls sich Corona nicht kurzfristig erledigt, wird der Infektionsschutz auch den Wahlkampf beeinflussen. Der Schwerpunkt ist nach Ende der Sommerferien ab Mitte August zu erwarten. Aber selbst bei Verzicht auf größere Veranstaltungen in geschlossenen Räumen fehlt es nicht an Möglichkeiten. Auch in Coronazeiten können traditionelle Formen wie lokale TV- und Radiospots, Zeitungsinserate, Plakatierung und Hauswurfsendungen durchgeführt werden. Daneben stehen die sozialen Medien zur Verfügung. Und auch Informationsstände und Haustürbesuche lassen sich durch Einhaltung von Mindestabständen und mit Mund-Nase-Bedeckungen so organisieren, dass ein Ansteckungsrisiko vermieden wird.

Wenn das Infektionsrisiko weiter besteht, ist mit einer weiteren Zunahme der Briefwahl zu rechnen. Aber auch bei der Urnenwahl können in den Wahlräumen angemessene Schutzvorkehrungen getroffen werden. Mindestabstände lassen sich durch Regulierung des Zutritts und der Laufwege gewährleisten, regelmäßiges Lüften ist ebenfalls wichtig. Stimmzettel sollten dann möglichst mit Schreibzeug, das die Wähler selbst mitbringen, ausgefüllt werden. Kontaktierte Oberflächen müssen regelmäßig gereinigt werden, wie dies anderenorts inzwischen ebenfalls üblich ist. Ein üblicherweise nur wenige Minuten dauernder Aufenthalt im Wahllokal stellt dann kein besonderes Risiko dar.

Die Höhe der Wahlbeteiligung bleibt abzuwarten. Ich hoffe nicht, dass sich die Wahlberechtigten durch Corona von der Stimmabgabe abhalten lassen. Wer den Weg ins Wahllokal scheut, hat die Möglichkeit der Briefwahl. Sie kann auf einfache Weise bei der Heimatgemeinde beantragt werden, auch durch E-Mail. In der repräsentativen Demokratie ist das Wahlrecht bekanntlich das zentrale Teilhaberecht der Bürgerinnen und Bürger, von dem nur im Abstand mehrerer Jahre Gebrauch gemacht werden kann. Dieses Recht sollte man folglich nutzen. Eine hohe Wahlbeteiligung stärkt zudem die Legitimation der gewählten Vertreterinnen und Vertreter und unterstreicht die Verbindung zwischen dem Wahlvolk und seinen Repräsentanten. Und man sollte die Bedeutung der kommunalen Vertretungen und der Bürgermeister und Landräte für das persönliche Lebensumfeld nicht unterschätzen.

Bei den zurückliegenden Kommunalwahlen lag der Stichwahlanteil bei den Wahlen von Bürgermeistern und Landräten im Durchschnitt bei rund 23 %. Eine Stichwahl findet nicht statt, wenn eine Bewerberin oder ein Bewerber im ersten Wahlgang mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erhält. Tritt eine größere Anzahl von Bewerbern an und sind mehrere relativ erfolgreich, nimmt die Wahrscheinlichkeit ab, dass diese Stimmenmehrheit schon im ersten Wahlgang  erreicht wird. Bei einer Personenwahl für das Amt des Bürgermeisters oder des Landrats werden neben der Parteizugehörigkeit immer auch die Bekanntheit und die den Kandidatinnen und Kandidaten zugebilligten Kompetenzen eine wichtige Rolle spielen.

Landesweit werden noch Wahlhelferinnen und Wahlhelfer gesucht. Ob es aktuell einen besonders großen Mangel gibt, lässt sich nicht abschließend beantworten. Wegen der Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, die Zahl der Stimmbezirke in den Kommunen und damit der benötigten Urnenwahlvorstände bis auf die Hälfte zu reduzieren. Möglicherweise werden aber gleichzeitig mehr Briefwahlvorstände gebraucht, wenn die Briefwahl weiter zunimmt. Den Überblick hierüber haben die Kommunen, die für die Berufung und den Einsatz der Wahlvorstände zuständig sind. In jedem Fall werden mehr als 50.000 Wahlhelferinnen und Wahlhelfer landesweit benötigt.

Der Gesetzgeber sieht bei Wahlen eine maßgebliche Mitwirkung der Wahlberechtigten vor, die sich keineswegs in der Stimmabgabe erschöpft. Die Bürgerinnen und Bürger sollen in den Urnen- und Briefwahlvorständen, also in weisungsungebundenen Wahlorganen, das Wahlverfahren mit organisieren. Das dort geltende  Mehraugenprinzip soll die Einhaltung des Wahlrechts garantieren und damit auch Manipulationen vorbeugen. Dies gilt insbesondere für die Auszählung der Stimmen am Wahlabend. Eine Wahl im demokratischen Rechtsstaat ist folglich auch als Veranstaltung einer sich selbst organisierenden Wählerschaft gedacht. Mitglieder von Wahlvorständen üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus und leisten einen unverzichtbaren Beitrag zu einer lebendigen Demokratie.

Als Landeswahlleiter habe ich bei Kommunalwahlen den Vorsitz im Landeswahlausschuss, der über Beschwerden gegen die vollständige oder teilweise Nichtzulassung von Wahlvorschlägen durch die Wahlausschüsse der Kreise und der kreisfreien Städte entscheidet. Das parallel von mir geleitete Wahlrechtsreferat im Ministerium des Innern des Landes NRW berät die Gemeinden und Kreise in Grundsatzfragen des Kommunalwahlrechts.

Die Aufstellung von Wahlkreisbewerbern und Landeslisten hat bei einigen Parteien bereits begonnen, ebenso die Sammlung von Unterstützungsunterschriften. Abzuwarten bleibt, ob die Diskussion über die Verringerung der Bundestagswahlkreise noch zu Ergebnissen führt, die einen zumindest teilweisen Neuzuschnitt erforderlich macht. Dies würde sich auf die Kandidatenaufstellung auswirken.

Da haben wir noch etwas Zeit, mit der Bewerberaufstellung kann erst im nächsten Jahr begonnen werden. Auch in diesem Fall müssen zunächst die Landtagswahlkreise überprüft und gegebenfalls durch den Landesgesetzgeber neu eingeteilt werden. Auch ein paar andere Vorschriften des Landeswahlrechts bedürfen vorab noch der Aktualisierung.